Wie die islamische Welt berichtet
Seit Tagen nehmen die westlichen Medien Bestandsaufnahmen der Angriffe vom 11. September 2011 vor. Wie aber geht die islamische Welt mit dem Datum um, das auch das Leben vieler Muslime nachhaltig verändert hat? Vor wenigen Tagen veröffentlichte das “Wall Street Journal” erschreckende Zahlen. Umfragen hatten ergeben, dass 92 Prozent der jungen Afghanen “nichts über das Ereignis wissen, das Ausländer ,9/11′ nennen”. 1000 afghanische Männer zwischen 15 und 30 Jahren waren von dem Thinktank “International Council on Security and Development” befragt worden. Wenig beruhigend ist auch, dass die restlichen acht Prozent zwar von den Anschlägen wussten, dahinter aber keineswegs islamistische Terroristen vermuten. “Keiner hat den Menschen in diesen Provinzen die Vorgänge um den 11. September erklärt”, sagt Norine MacDonald, Präsidentin des Thinktanks. Da sei es wenig verwunderlich, dass der Kampf um die Köpfe und Herzen der Menschen in der von den Taliban kontrollierten Regionen nicht gewonnen werden könne.
Ein Blick in arabische Medien zeigt, dass der 11. September dort zwar stattfindet, aber nicht unbedingt an prominenter Stelle. Die Nachrichtensender al-Arabija und al-Dschasira haben es in der arabischen Welt zu Meinungsführerschaft gebracht. Insbesondere die Online-Auftritte spielen eine wichtige Rolle: Bei einer anhaltend hohen Analphabetenquote in Nordafrika und dem Nahen Osten gehören die Videos zu den Hauptinformationsquellen.
Al-Arabija aus Dubai konzentriert sich in der Berichterstattung zu “9/11” auf die arabischen Opfer der Anschläge. “Zehn Jahre später erinnern wir uns an diese vergessenen Helden. Ihre Geschichten werden in den Medien nicht oder kaum erzählt. Weshalb das so ist, bleibt unklar. Vielleicht, weil es so wenige waren und weil Ausgrenzung schon immer ihr Schicksal war”, schreibt das Portal.
Der größte Konkurrent von al-Arabija ist der Nachrichtensender al-Dschasira, der aus Katar sendet. Auffällig ist, wie stark sich die Berichterstattung zwischen englisch- und arabischsprachigem Auftritt unterscheidet. Auf der arabischen Seite spielt der Prozess gegen den gestürzten ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak die zentrale Rolle – ein Livestream informiert in Echtzeit über den Prozessverlauf in Kairo. Die Gedenkfeier in den USA ist nur eine Nachricht von vielen. Auf der englischen Seite von al-Dschasira steht hingegen der Jahrestag im Mittelpunkt. Mehrere Artikel thematisieren die Frage, wie nachhaltig der 11. September das Verhältnis zwischen Muslimen und dem Westen verändert hat. Ein Autor beschreibt den Generalverdacht, unter den Muslime geraten sind, und schildert die Anfeindungen, denen er ausgesetzt war.
Es lässt sich festhalten: Das Gedenken an den 11. September findet auch in den arabischen Medien statt, wenngleich es das Nachrichtengeschehen keineswegs bestimmt. Von weitaus größerer Bedeutung an diesem Tag sind die Umwälzungen, die sich aktuell in der Region vollziehen. In einem Kommentar für den arabischen Al-Dschasira-Auftritt fasst es der Autor Ahmad Sheik so zusammen: “Die arabische Welt geht ihren eigenen Weg, und es ist nicht der Weg des Terrors, den Osama Bin Laden vorgegeben hat.”